Abgang

Wir hören es allerorten: Existenzgründungen mehren sich. Dementsprechend allerdings steigt auch die Zahl der Unternehmenspleiten. 45 Prozent der Existenzgründer strecken innerhalb der ersten zwei Jahre nach Gründung ihres Betriebes die Waffen. Und trotzdem: einige schaffen es immer wieder. Dazu gehört allerdings nicht nur unternehmerisches Geschick - auch die gute Idee ist gefragt. Ein ehemaliger Fußpfleger aus Rindern (Kreis Kleve) schickt sich nun mit einer besonderen Idee an, den Dienstleistungsmarkt zu revolutionieren. 

Zwar wird die Geschäftsidee des 34-jährigen Jochen B. vorerst noch hinter vorgehaltener Hand gehandelt, doch hat der Jungunternehmer aus der nächsten Umgebung der Schwanenstadt Kleve im Internet bereits erste Erfolge erzielt. Jochen B.'s Erfolg begann mit folgendem Text: „Lebensmüde? Abgang hat die Lösung." 

Die Statistiken zeigen deutlich: die Zahl der Lebensmüden ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Selbstmordkandidaten all überall suchen nach praktischen Lösungen. Nicht jeder ist im Besitz einer Handfeuerwaffe. Nicht jeder mag sich vor einen Zug werfen - nicht zuletzt vielleicht aus Gründen der Rücksichtnahme auf den Zugführer. Welches Gift soll man nehmen? Auch der Tod durch den Strang ist nicht jeder Manns Sache  - ganz zu schweigen vom Sprung aus der obersten Etage eines Hochhauses. Zunächst hatte Jochen B. über Pauschalreisen zur Golden Gate Bridge nachgedacht: eine Flugreise (one way) nach San Franzisko; zunächst ein dreitägiger Aufenthalt mit Besichtigung der Sehenswürdigkeiten - so u. a. auch die ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz. Nach einem opulenten Abendessen am 3. Tag dann die Taxifahrt zur Golden Gate Brücke. Als jedoch die amerikanischen Behörden Kenntnis von der Geschäftsidee bekamen, wurde Jochen B. prompt mit strafrechtlicher Verfolgung gedroht. Allerdings machten die amerikanischen Behörden dem verdutzten Jungunternehmer ein verlockendes Angebot: Gegen eine Gebühr von 250$ bieten amerikanische Gefängnisse aus verschiedenen Bundesstaaten in einer einmaligen Kennenlern-Kampagne exklusiv für Jochen B. eine komplette Hinrichtung mit der Giftspritze an. Die Kunden werden 2 Wochen lang - natürlich bei Vollpension - im Todestrakt ihrer Wunschanstalt (34 stehen zur Auswahl) untergebracht, um anschließend exekutiert zu werden.

„Sauber + sicher" oder aber „safe and secure" - so das Motto dieser nicht nur bundes- sondern weltweit völlig neuen und wohl auch einmaligen Geschäftsidee. Den amerikanischen Strafanstalten Anstalten bietet sich auf diesem Wege zudem die Möglichkeit, mehr Auszubildende für den Beruf des Henkers zu interessieren, der, so scheint es, einen ungeahnten Boom erfahren hat. Der Henker bekommt für die einfache Hinrichtung (ohne Zeugen und letzte Worte) 186$. Wünscht der Kunde eine zusätzliche Henkersmahlzeit sowie die Prozedur mit letzten Worten sowie bestellten Zeugen und einer Videoaufzeichnung für die Hinterbliebenen, erhöht sich nicht nur die Gage für den Henker (256$), sondern natürlich auch der Preis des Hinrichtungspaketes. 

Ein Informant aus einer amerikanischen Vollzugsanstalt teilte der Redaktion mit der Auflage, seinen Namen nicht zu nennen mit, dass es sogar genügend Interessenten gibt, die bereit wären, ihrerseits dafür zu bezahlen, wenn sie eine Hinrichtung als Henker vollziehen dürften. „Das sind die falschen Leute. Mit denen wollen wir nichts zu tun haben, obwohl wir ein echtes Geschäft daraus machen könnten. Wir brauchen emotionslose Henker", so Fred Jerk (Name von der Redaktion geändert). Die Hinrichtung De Lux kostet den interessierten Selbstmörder dann den stolzen Preis von 1.620$. 

Jochen B. wendet ein, dass der Preis natürlich hoch ist, weiß aber auch zu berichten, dass es dafür in den letzten 10 Minuten garantiert einen Anruf vom Gouverneur des jeweiligen Bundesstaates gibt. Sowohl bei der einfachen Hinrichtung als auch bei der De Luxe Version ist eine Rückführung des Leichnams nicht vorgesehen. Stattdessen werden die sterblichen Überreste auf Wunsch zu Forschungszwecken an Universitäten weitergegeben, was den Gesamtpreis jeweils um 15% reduziert. 

Für den 4. Juli diesen Jahres hat Jochen B. erstmals eine Boeing 234 gechartert. Mit 128 Buchungen ist der Flieger bis auf 12 Plätze ausgelastet, und eben die hat Jochen B. für ein Last-Minute-Angebot freigehalten. Anders als bei normalen Reisen ist allerdings die Last-Minute-Variante teurer. Über den Gewinn für das Unternehmen schweigt Jochen B. Allerdings war von ihm zu erfahren, dass allein die Einsparungen aufgrund der Tatsache, dass alle Kunden ohne Gepäck reisen, nicht unbeträchtlich zu sein scheinen. Aus der Untervermietung des Laderaums der jeweiligen Maschine an Transportunternehmen plant der Jungunternehmer eine weitere feste Einnahmequelle zu machen. 

Jochen B. legt Wert auf die Feststellung, dass er sich mit seiner Geschäftsidee nur an wirklich ernsthaft interessierte Kunden wendet. Schließlich muss die Klientel des Unternehmens mit erheblichen Wartezeiten rechnen. Und was, wenn sich jemand in letzter Minute anders entscheidet und zurücktritt? Jochen B. zögert sichtlich mit seiner Antwort auf diese Frage. Erstens habe man bisher noch keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet, da die erste Reise (s.o.) erst im Sommer stattfinden wird und zweitens rechne er eben mit Kunden, die sich die Buchung dieser Reise reiflich überlegt hätten. Schließlich bestehen seit der letzten Woche auch vertragliche Bindungen zwischen Jochen B. und den jeweiligen Partneranstalten. 

Eine Reiserücktrittsversicherung wird für ein derartiges Projekt schwer zu finden sein. Einen Vorteil sieht der ehemalige Fußpfleger allerdings in der Tatsache, dass bei seinen Projekten jeweils nur die Piloten für einen eventuellen Absturz der Maschine zu versichern sind. 

Vor einem Monat unternahm der Jungunternehmer eine Besichtigungsfahrt zu den Vertragspartnern in den Vereinigten Staaten. Bei dieser Gelegenheit konnte sich der junge Mann selber von den Unterbringungsbedingungen in den einzelnen Todestrakten überzeugen. Jochen B. zeigte sich sichtlich beeindruckt. „Natürlich", erklärt B., „dürfen meine Pauschalreisenden auf keinerlei Sonderbehandlung spekulieren." Nicht zuletzt darin sieht der Ehemann und Vater zweier Kinder, dessen Betrieb vor 2 Jahren in Konkurs ging, einen besonders „gefühlsechten" Aspekt seines Angebotes. Die jeweiligen Gefängnisse jedenfalls sind ausnahmslos begeistert von der Idee des Rinderners.

Die Tatsache, dass in einigen Bundesstaaten Selbstmord unter Strafe steht, sehen die Direktoren nicht als ernst zu nehmendes Hindernis an. Zur Not wird ein Scheinverfahren (natürlich gegen Aufpreis) eingeleitet, so dass Jochen B.'s Kunden am Ende rechtmäßig hingerichtet werden können. „Endlich", so Floyd Gregory, einer der Direktoren, „endlich wird unser Todestrakt ausgelastet sein. Die Anschaffung der Injection Machine hat Unsummen verschlungen und muss sich am Ende auch rechnen. Und dafür, dass keiner von seiner Buchung zurücktritt, werden wir sorgen." „Die Amis", so Jochen B. „haben noch gar nicht gemerkt, auf welcher Goldader sie da sitzen. Denen ist doch gar nicht klar, dass sie allein durch den Verkauf der Fernsehrechte den gesamten Strafvollzug zu mindestens 60% finanzieren könnten. Und Versteigerungen, bei denen sich die Wahlhenker eine Hinrichtung auch per Internet kaufen könnten, würden nochmal eine nicht unbeträchtliche Summe einbringen. Auch wir hier in Deutschland können noch mit verdienen. Man muss nur an die Protestaktionen denken, die sich sprunghaft ausdehnen würden. Der Druck 

von Plakaten und Handzetteln sowie Aktionen in sämtlichen Medien nebst im Pay-TV geschalteten Werbeblöcken würde schon einiges einbringen. Es denkt halt keiner darüber nach. An sich schon schlimm genug." 

Jochen B. denkt schon jetzt über Angebote für Paare nach. Homo und hetero - versteht sich. Darüber hinaus sind Verhandlungen mit den privaten Rentenversicherungsanstalten seiner Kunden geplant. "Auch die können sich die eine oder andere Mark sparen, wenn meine Kunden auf die Auszahlung ihrer Prämien an Dritte verzichten würden."