begatten

Teil I – Die Anzeige

Bernd muss los. Er hat doch auf diese Internetanzeige reagiert, die ihm gleich interessant vorkam. Es hat sich herausgestellt, dass ein Lesbenpärchen auf der Suche nach einem Samenspender zwecks anschließender Familiengründung ist. Genau das also, was Bernd reizt: Spaß ohne Verpflichtung plus Duplizierungsmöglichkeit. Heute ist Kennenlernen angesagt. Bisher gab es ja nur das Telefon. Britta und Klaudia. Klaudia mit ‘K’ ist ja allein schon interessant genug. Über Berufe und Berufungen ist noch nicht gesprochen worden. Bernd wird sich locker geben – Verluste sind nicht vorgesehen. Gut auch, dass die beiden weit genug weg wohnen von Bernds eigentlichem Wirkungskreis. Es könnte sonst zu ungewollten Überschneidungen kommen. Es gilt nach wie vor: Zwei Leben führen, die sich nicht einmal in Bernds Kopf wirklich treffen dürfen. Die Fahrkarte ist gelöst – es kann losgehen.

Teil II – Erster Zustandsbericht

Wie es war? Na, das ist vielleicht eine Frage. Das lässt sich doch nicht einfach so in zweidrei Sätze pressen. Zunächst einmal: Zwei nette Mädels – Britta und Klaudia. Und vor allem: So gar nicht dumm. Belesen die eine, mit Humor versehen die andere. Eigentlich ein ideales Paar. In der Bekanntschaft haben sie vergebens nach einem Spender gesucht. Nicht, dass es an geeigneten Kandidaten mangeln würde – die Lebenskreise kommen einander zu nahe. Das würde nicht gut gehen. So viel steht fest. Carlos beispielsweise: Ein echter Lawer. Einer, wie man ihn sich wünschen würde als Hetero. Andererseits ist Carlos eben auch wieder zu viel Mattscho. Mattscho nix gut. Das würde später nur zu Differenzen führen. Differenzen sind nicht geplant. Alles soll sauber ablaufen. Ohne Komplis. Die würden dem Kind nur schaden. Suboptimal. Ein paar Regeln sind aufgestellt: Die Damen verzichten auf jedwede postnatale Finanzierung seitens des Spenders. (Von einem Vater-Modell soll erst gar nicht gesprochen werden.) Der finanzielle Punkt kann – wenn gewünscht – notariell verankert werden. Es bleibt die Frage, ob ein Erzeuger – entgegen jeglicher privaten Absprachen – de jure zur Unterhaltszahlung verpflichtet ist und ob damit eine zu treffende interne Vereinbarung möglicherweise sittenwidrig ist. Dieser Punkt muss geklärt werden. Darum kümmern sich die Damen. Bernd muss sich um gar nichts kümmern. Wie bekwehm! Er muss lediglich auf Abruf – das hat, wie er wissen wird, biologische Gründe – bereit sein und innerhalb Halbtagesfrist zur Disposition stehen. Man verzichtet nach dem Kennenlernen auf eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Bernd ist ein Vertrauens-Mann. Weiter: In Sachen Namensgebung wird dem Erzeuger keinerlei Mitspracherecht eingeräumt. Gleiches gilt selbstredend für die Religionswahl.

Dem Erzeuger wird sehr wohl das Recht eingeräumt, das Produkt zu treffen, wenn dies gewünscht ist. Bei der Geburt (es ist an eine Wasserbeckenentbindung gedacht) wird der Name des Vaters nicht angegeben. (Im Namen des Vaters ...) Selbstverständlich wird das Kind den Namen einer der beiden Mütter tragen. Eine Absprache, die Bernd nicht kümmern muss. Sollte die Britta-Klaudia-Beziehung in die Brüche gehen, treten eigens dafür formulierte Bedingungen in Kraft, die später von Bernd eingesehen werden können, wenn er es wünscht. Die Damen sind sümmpahtisch. Bernd wird die Sache durchziehen. Britta und Klaudia haben sich eine einwöchige Bedenkfrist erbeten und Wert auf die Feststellung gelegt, dass noch weitere drei Herren im Rennen sind. Es soll mit offenen Karten gespielt werden. Bernd hat den Damen eine Liste der von ihm in seinem Leben bisher gelesenen Bücher sowie beglaubigte Abschriften seiner Zeugnisse zukommen lassen.

Teill III – Bescheid

Bernd hat einen Anruf erhalten. Britta und Klaudia haben den anderen Herren abgesagt und sich für die Bernd-Variante entschieden. Eigentlich, so betonen beide, sei von Anfang an der Bernd die Paradelösung gewesen. Man habe aber ausprobieren wollen, um sich später nicht gegenseitig Vorwürfe oder doch Vorhaltungen machen zu müssen. Bernd wird von ihnen hören. Jetzt nämlich müssen Britt und Klaudia erst einmal klären, wer von beiden denn am Ende die Mutter sein oder werden soll. Drei Tage später ein weiterer Anruf: Es wird Klaudia. Bernd wäre auch die Britta recht gewesen. Egal. Sie sind beide hübsch und für einen, der seit vier Jahren ohne Frau gewesen ist, kommt es am Ende nicht drauf an.

Teil IV – Begattungsversuch

Bernd hat einen Anruf erhalten. Heute Abend soll er sich zum ersten Versuch einfinden. Bernd nimmt ein Bad und fährt los. Britta und Klaudia haben versucht, eine angenehme Grundstimmung zu schaffen. Bernd wird in ein Restaurant seiner Wahl eingeladen. Die Damen zahlen. Bitte kein Alkohol zum Essen. Und auch nachher nicht. Bernd wird das verstehen. Britta und Klaudia wollen – wenn zwar nicht kühlen – so doch klaren Kopf behalten. Britta und Klaudia haben lange diskutiert, wie sie es machen sollen und sich im bernd’schen Interesse dafür entschieden, dass Britta nicht zusehen wird. Bernd muss natürlich auch wissen, dass der Akt nichts mit Liebe zu tun haben wird. Es geht vielmehr um die sachliche Erfüllung einer Vereinbarung. Bernd wird – was den Klaudiakörper angeht – allerdings alle für ihn notwendigen Freiheiten haben. Mit anderen Worten: Bernd wird sagen wie er’s braucht. Klaudia wird es so machen, die Gutartigkeit der Vorschläge vorausgesetzt. Bernd hat Probleme mit der Nahrungsaufnahme. Er muss sagen, dass er nervös ist wie schon lange nicht mehr. Die Damen sind nett – ansatzweise verbindlich. Macht nichts, wenn Bernd fast alles unangegessen zurück gehen lässt. Macht gar nichts. Vielleicht täte eine Kleinigkeit Alkohol dem Unternehmen am Ende doch gut. Wenn  Bernd also einen Grappa haben möchte: Britta und Klaudia werden sich damit einverstanden erklären. Sie allerdings werden nüchtern bleiben. Andererseits: Britta könnte sich ja ein Schlückchen genehmigen. Warum eigentlich nicht. (Bernd und Britta bestellen Grappa.)  Nach dem Essen fahren sie mit dem Taxi zur Britta-Klaudia-Wohnung. Bernd soll zuerst ins Schlafzimmer und es sich schon mal gemütlich machen.

Klaudia wird noch ein paar vaginale Lockerungsübungen machen und binnen weniger Minuten bei ihm sein. Bernd muss sagen, ob er eine nackte oder irgendwie bekleidete Klaudia haben möchte. Ein begrenztes Arsenal an Reizwäsche ist natürlich vorhanden. Braucht Bernd Licht, oder darf es dunkel sein? Tastet er sich lieber eigenhändig ins Ziel oder soll Klaudia Unterstützung gewähren? Bernd muss kurz mal zur Toilette und sich übergeben. Kein Problem. Das ist nur die Nervosität. Sonst nichts. Ein Reizmagen. Zuletzt hat sich der am Tag des Abschlussexamens zu Wort gemeldet.

Bernd ist Germanist. Spezialist für Runen. Jetzt allerdings muss er erst einmal zur Toilette. Danach den Mund ausspülen. Darf eigentlich geküsst werden? Wenn Bernd den Kuss als Stimulationsmittel braucht, dann bitte sehr. Sonst eher nicht. Wichtig: Britta darf nicht das Gefühl haben, einen Grund zur Eifersucht geliefert zu bekommen. Deshalb bitte: Kein lautes Lustgestöhn. Der Plan sieht vor, dass Bernd und Klaudia im Lauf der Nacht drei oder viermal zusammenkommen.

Am nächsten Morgen darf Bernd ausschlafen. Das hat er nötig. Er fühlt sich ausgelaugt. Klaudia hat sich untadelig verhalten. Gefühlsneutral. Britta will es wissen. Bernd erklärt es ihr. Was er verschweigt: Schon beim zweiten Mal hat er dieses Vertrautheitsgefühl. Er nennt es nicht einmal vor sich selber Liebe. Er hat ab dem zweiten Mal auf Dunkelheit bestanden. Nichts sollte ihn verraten.

Teil IV – Meldungen

Email für Bernd: Er soll Britta und Klaudia anrufen. Klaudia ist leider noch nicht schwanger. Es wird also vonnöten sein, ein weiteres Mal Bernds Dienste in Anspruch zu nehmen. Die Abmachung sieht vier Versuche vor, bevor der Vertragspartner ausgewechselt wird. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen schützt es vor wachsender Vertrautheit, zum anderen erhöht es natürlich die Befruchtungswahrscheinlichkeit, wenn möglichst viele ihr Glück versuchen.

Britta und Klaudia haben nachverhandelt: Klaudia wird es ein zweites Mal versuchen. Danach wird es Bernd mit Britta zu tun haben. Nichts soll unversucht bleiben. Bernd verschweigt, dass er mittlerweile eine Museumspädagogin kennen und noch nicht lieben gelernt hat. „Lasse mich zum Essen einladen“, hatte Bernd im Stadt-Magazin inseriert und eine erstaunliche hohe Anzahl an Rückmeldungen erhalten. Walburga hat er von seinen Besamungsverpflichtungen nichts erzählt. Wohl aber hat er eine gewisse Unsicherheit beim Durchdenken des Projektes festgestellt. Was, wenn er Walburga liebt und sie ihn? Was, wenn sie mit dem Kinderwunsch kommt und er schon Vater ist?  Bernd ist auch beim vierten Mal erfolglos. Die Parteien trennen sich gütlich. Britta und Klaudia schicken Literaturliste und Zeugnisabschriften zurück. Jetzt kann sich Bernd aber richtig verlieben, obwohl er doch eigentlich immer nur eine Frau wollte, die er bei Nichtbedarf im Kleiderschrank einschließen kann. Frauen sind – das betont er wieder und wieder – kostengünstige Koch-, Putz-, Wasch und Backhilfen.