BGS

Es gilt das gesprochene Wort. Man wartet noch auf zwei Damen. Eine von beiden sei der Landrat, wird getuschelt. Lauter Uniformen. Leiser: Drei Damen – eigens angesprochen und verpflichtet, den kleinen Empfang sacht zu bestreichen: Pachelbel im Gebäck. Und bis die Damen eingetroffen sind, ein bißchen Sekt und Selters. Poließ Miez Arz – die englische Sprache scheint angemessen, wenn es um unsere Grünsten geht und um die Kunst. Der Landrat trifft ein. Auf die zweite Frau in der Warteschleife muss ab sofort keinerlei Rücksicht mehr genommen werden. Los geht’s. Bitte Musik. Zwei sich professionell gebende Damen werden von einer Kommissarsanwärterin geigend verunsichert. Pachelbels Kanon sollte es schon sein, wenn es um hehre Werte geht. Am Grün glänzen die Sterne. Und jetzt wird, bitte schön, aber nicht mehr gesprochen. Nur der Landrat quatscht ins Essen. Macht nix. Ein Redemanuskript liegt aus. Immerhin: Vier Seiten lang werden die Promminänzen gedruckt begrüßt: 11-Punkt, einzeilig. Dann folgt, was der Chef den „eigentlichen Anlass“ nennt. Den schafft er in 17 Zeilen. Danach der Abspann. Er dankt für herzliches Entgegenkommen und kündigt eine weitere musikalische Einlage an. Telemanns Konzert für 4 Violinen wird kurzerhand zum Trio zersägt. Die musikalische Halbwertzeit des Grauens kann nur schwer gemessen werden.

Worum geht es denn eigentlich? Ach ja: Kunst beim Bundesgrenzschutz. „so sollen gerade im polizeilichen Alltag bei der Bewältigung polizeilicher Lagen und Erarbeitung von Konzeptionen die hier wirkenden Angestellten des öffentlichen Dienstes zusätzlich inspiriert werden.“ Helau. Erklärung tut Not. Hierzu bittet man ein Museumsdenketagenmitglied um Wohlklingendes, das – zuvor schriftlich zusammengetragen – nun quasi halboral verabreicht wird. Ganz ohne Rezept. Auch die Gesunden müssen da durch. Künstler und Intentionen werden sichtbar. Man sehnt sich nach weiteren musikalischen Entgleisungen. Sekt schlürfend steht Grün am Tisch. Sterne blinken. Konzentriertes Weghören wird professionell vorgetragen. Sie drängt sich auf – die sprachliche Parallelgalaxis vom Grenzgang der Kunst mit dem Bundesgrenzschutz. So soll es sein. Kunst ist das Vorhersehbare. Musik das Vorhörbare. Depression das Vorfühlbare. Und wie nennt man es, wenn die Kunst zur Polizei kommt: Poließ miz Arz. Hey, das klingt pfiffig. Das räumt auf mit Vorurteilen vom Angestaubten. Und hatte nicht der vielbesternte Grüne auch noch ein achsopassendes Picasso-Zitat gefunden und zum Besten gegeben: „Kunstwischtdenstaubdesalltagsvonderseele.“ Applaus. Musik.

Muss denn eigentlich Kunst, wenn in der Einsatzzentrale flurig abgehängt, überhaupt versichert werden? Eine interessante Frage. Vielleicht nutzt das stiftendleihgebende Museum die Hallen des Gesetzes ja nur als Depot, und keiner hat’s gemerkt? Oder wird da entsorgt, was im Lager schlicht stört? Darüber spricht man nicht. Man denkt auch nicht. Jetzt aber hurtig wieder zu den Geigen. Der vorletzte Akt wird zusammengestrichen. Tadada Tadada Ta Da Da tattattattatta Ta Ta Taaaaaa: Radeddzkimarsch im Rollstuhl: angeschoben vom Geigerinnentrio. Dergleichen steht anderswo unter Strafe. Vielleicht wird das Trio anschließend verhaftet. Der Oberstaatsanwalt jedenfalls steht in der ersten Reihe und verzieht keine Miene. Die Kommissarsanwärtergeigerin gerät streichend ins Stolpern: Radeddzkitrio schrumpft zum dualen Süstem, erholt sich aber wieder bis zum Schlussakkord. Begeisterung bricht aus den Reihen der Festgäste quasi erruptief heraus und macht sich in spontanem Getrampel Luft. So ein Tag. Jetzt aber rasch die Gläser beiseite gestellt und aufgefahren ins erste Stockwerk, wo an den Wänden die Kunst auf Augen wartet. Hier also wird demnächst heftig diskutiert und ergänzend diskutiert. Jeder sieht es vor dem geistigen Auge, wie eifrige Beamten nach dem Anlegen der Dienstwaffe und vor dem Ausrücken zu einer Geisellage auf dem Gelände der Deutschen Bahn noch rasch am Kunstwerk ihres Vertrauens vorüberstreifen, um sich dann und quasi final inspiriert der lebensgefährlichen Lage hinzugeben. So soll es sein. Sterben mit Picasso. Den Alltagsstaub aus der Seele wischen.

Gibt es auch im Gewahrsamsbereich Kunststücke? Nein. Die Kunst, läßt die Pressesprecherin höchst ernsthaft verlauten, die Kunst ist nun mal nicht vandalensicher. Schade eigentlich. Kunsttherapie im Tagesgewahrsam schafft neue Arbeitsplätze. Und so manchem wirklich Wüsten würde die Verlesung einer Vernissagenrede den Angstschweiß ins Gemüt zaubern. Ruhigstellung nicht mehr nötig. Es folgt der Imbiss. Und hernach bitte nicht mit Fettfingern die Kunst antatschen. Woll!