Campus, Schampus

Jetzt also die Koreaner. Warum auch nicht? Wir sterben schließlich aus. Und nach uns die Sintflut – das wäre egoistisch gedacht. Dann schon lieber die Musikautomaten. Pfui! So spricht man nicht. Da hinten sind sie halt fleißiger. Was hier nur mit Prügel klappt … ja, wie funktioniert das eigentlich drüben? Vielleicht das hier mal einführen, wenn ein Schüler sich sträubt: „Wenn du nicht willst, dann geh’ doch rüber.“ Über Nord oder Süd kann noch diskutiert werden.

Immerhin: Deutschland bedeutet für die ja noch was. Hier möchten sie was lernen. Schließlich fahren die nicht nach Holland, Belgien oder Liechtenstein. Die kommen zu uns. Ins Land der Kultur. Von alter Musik verstehen wir was. Am Ambiente muss freilich noch gearbeitet werden. Korea sucht ein Schloss. Eine Burg. Effe Jugendherbergen kann man denen nicht anbieten. Das Auge spielt schließlich mit, wenn Ohren, Finger und Lippen ins deutschkulturelle Intensivgebet genommen werden.

Jetzt also die Koreaner. Nächstes Jahr werden sie wohlmöglich nach Russland ziehen. Aber diesmal sind wir im Rennen. Das schöne Wort vom Musiksommer reicht nicht. International muss er schon sein. Und dann noch schnell einen Campus dazugestrickt. Koeranischer Budenzauber mit Campus-Atmo. Super! Orchesterakademie, Meister­kurse. Fantastisch. Vor allem, wenn man sich um die Studenten nicht sorgen muss. Die Koreaner liefern einen ausgebuchten Kurs. Wo gibt es das sonst schon. Anderswo müssen die Lehrmeister das Klientel eigenhändig zum Meisterkurs pressen. Jetzt läuft alles nach dem Motto: Wir stellen die Logistik (Schloss oder Burg inbegriffen) und die Koreaner liefern das Menschenmaterial. Einfach am Flughafen abholen und dafür sorgen, dass genügend Strom zum Aufladen der Kameraakkus vorhanden ist. Wenn die uns knipsen, kennt man uns da hinten. Oder sehen wir für die auch alle gleich aus? Bestimmt nicht. Das ist nur umgekehrt der Fall. Wir können ja auch Milch trinken, und die nicht. 

Nicht nur, dass die Stadt jetzt auch im Fußball aufgestiegen ist. Da kommt auch noch die Kultur ins Spiel. Was hier abgeht, das haben sonst nur Metropolen. Das muss mal gesagt werden. Und immerhin: Die Orchester- und Klavierkohorten aus Asien sind pflegeleichter als die Fußballraudies. Die kommen für Suff und Spiele und Randale. Da ist das Kulturcamp die bessere Alternative. Campus Cleve – Schampus Kleve. Wir liefern Nou-Hau in Sachen Musik und haben auch sonst reichlich Kultur – vom Museum bis zur Draisine.

Alle planen schon die Reisen ins Reich der Nebenmitte. Städtepartnerschaften. Da kann der Rat endlich mal wieder was unternehmen. Und die Kulturbetriebe haben ebenfalls Austausch in Aussicht. Das Motto: Demnächst die Reiserichtung umkehren. Dann mal unseren zeigen, wie da hinten gearbeitet wird. Die Musikschule reist mit dem Akkordeonorchester zum Notenaustausch. Das Schöne: Musik kennt keine Grenzen. Musik ist eine internationale Sprache. Das erzähl mal, wenn du da hinten mit der Partitur in der Hand was zu essen brauchst oder nach dem Weg zum Herrenklo fragst. Beethoven wird’s schon richten.

Jetzt also die Koreaner. Kommen die eigentlich in Uniform. Nein, nicht so. Anders. Die haben doch da hinten bestimmt Schuluniformen. Deswegen klappt’s da auch besser mit dem Lernen. So viel steht fest: Einmalig. „Wir werden uns da mit beiden Armen reinknien“, hat der Chef gesagt. Hat er wirklich. Wir werden uns das natürlich ansehen, wenn die Zeit gekommen ist. Das wird überhaupt ein schönes Bild. Und dann werden sie sich über Mendelssohn hermachen, und Beethoven. Und wir werden ihnen zeigen, wie das geht. Schließlich verfügen wir über das nötige Herrschaftswissen. Die Herren Topkomponisten kamen schließlich aus unseren Breiten.

Jetzt also die Koreaner. Wir haben die Quellen. Die haben den Nachwuchs. Und bitte: Wer da meckert, das sind doch nur die ewig Gestrigen. Die Neider. Die Kleingeister. Und mal ganz unter uns: Lieber ein koreanisches Orchester als ein Musikcomputer. Oder etwa nicht?