Das große Rad

...und so viel steht fest: wir drehen jetzt das große Rad. Kein Kleinkram mehr. Idealistisch sollen die sein, die es sich leisten können. Für Idealismus brauchst du Voraussetzungen: Dumm genug muß einer sein. Der ideale Idealist ist noch dazu ehrlich. Und eins steht fest: Damit machst du keine Mark – keine wache und keine müde. ...Ich war gestern noch unterwegs: Kultursponsoring. Das ist ja ein Feld für sich. Kultursponsoring ist ja nun mal ein Kompositum, ein zusammengesetztes Hauptwort. Und was mich angeht: Wichtig ist die zweite Hälfte. Man muß das mal ganz realistisch sehen: Wenn man da mit kleinen Nummern aufläuft, gibt es auch nur die kleine Kohle. Peanuts gibt es dann – nicht mehr. Daß wir Kultur vor Ort haben, ist ja nicht beweisbar: Kein Mensch von außerhalb weiß es. Kultur wird erst meßbar, wenn irgendwo in Köln oder München der Seismograph ausschlägt. Frage: Wie kriegen wir das Ding zum Ausschlagen. Antwort: Stars müssen her. Und mit den Stars kommt dann das Publikum. Und wenn das Publikum erst da ist, dann wissen die da draußen, daß es uns gibt. Ist doch ganz klar. Das Ganze fängt an mit einer völlig anderen Preispolitik. Eintrittspreise so um die 20 Mark sind eigentlich erfolgsvernichtend. Da kommen die völlig falschen Leute ins Konzert. Jugendliche, Mittelschichtler usw. Von denen kann die Kultur vielleicht noch leben, aber eben nicht wir, die die Kultur machen. Und eines muß ja mal klar sein: Wer da glaubt, die Kultur würde von den Interpreten gemacht, der hat sich aber ganz gewaltig in der Etage geirrt. So ein Musiker z. B. muß doch froh sein, daß unsereiner ihn in seine Agentur nimmt. Nehmen wir doch mal so einen armen Menschen, der gerade mi dem Examen in der Tasche aus einer Hochschule kommt. Ja, wer nimmt denn so einen – oder so eine? Seien wir ehrlich: Niemand. Gut – die können sich durchs Hinterland mucken. 150 DM hier, 220 da, – zum Sterben zu viel... na, das kennt man ja. Also heißt die Richtung: Erst mal die große Kultur holen, damit die Leute dann merken, daß es die kleine Kultur auch gibt. Das befruchtet die Atmosphäre. Wenn ein Pavarotti in der Stadt war, dann wollen doch plötzlich alle Gesangsunterricht. Und dann merken die Leute doch erst, daß da vorher auch schon mal was war. Gut, sie werden nicht gleich wieder das Geld für eine Eintrittskarte haben, aber sie haben das Bewußtsein, daß sie jetzt ein Teil der Welt geworden sind.

Ich hatte mir da folgendes gedacht: Wir schreiben einen Wettbewerb aus - Komposition vielleicht. Das ist es doch. Da sieht auf jeden Fall so aus, als würden wir uns Mühe geben. Musik ist nicht immer nur der Blick zurück, da muß es eine Sicht nach vorne geben. Ein Kompositionswettbewerb also. Unter uns: Da zählt natürlich nicht das eingesandte Material. Das ist unser Alibi. Was zählt ist eine gut besetzte Jury: Sagen wir, Penderecki, Boulez, Celibidache und Frantz. Das macht Eindruck auf die Sponsoren – da wird das große Rad gedreht. Die Herren beglücken dann unser Städtchen eine Woche lang mit ihrer aufwertenden Anwesenheit. Natürlich das beste Hotel am Platz. Sagen wir mal: Pro Mann und Tag müssen da schon 400 Mark drin sein. Das Ganze für eine Woche – macht zusammen: Viermal zweisieben = ...am besten gleich aufrunden auf 25.000. Mit Peanuts findest du keinen Sponsor. Dann müssen die natürlich ein Honorar haben. Sagen wir mal zehntausend pro Nase und Woche... macht zusammen 40 plus 25 = 65. Darüber läßt sich reden. Dann natürlich der Werbeetat. Sowas will ja ausgeschrieben sein – weltweit versteht sich. Das kost 'ne Kleinigkeit. Sagen wir 200.000. Macht zusammen 265.000. Jetzt nehmen wir mal an, da gewinnt einer den ersten Preis mit einem Stück für großes Orchester. Da muß dann natürlich ein Orchester her. Wir haben keins – wir brauchen auch keins. Nehmen wir doch gleich die Berliner. Das bringt doch jede Menge Zuschauer. Was mögen die kosten – sagen wir 200.000. Macht zusammen 465.000. Das ist schon mal eine ernstzunehmende Zahl. Mein Honorar ...20.000. Sowas will ja perfekt organisiert werden. Sind wir also bei 485.000. Das Catering muss natürlich auch stimmen. 30.000. Macht 495.000. Bleibt bei einem angedachten Etat von 500.000 ein Rest von 5.000. Was machen wir damit. Da war doch noch was. Stimmt ja: Ein Preisgeld. 5.000 sind für einen Komponisten ja wirklich ein stolzes Sümmchen. Dafür werden natürlich die Rechte abgetreten. Fair ist fair. Wenn so einer wüsste, was man alles tut, damit er sich dann im Licht der Öffentlichkeit sonnen kann. Der müsste ja ohne Geld zufrieden sein für das, was er da geboten bekommt. Und wir haben dann auch wirklich was für die Kunst getan. Es würde sich ja sonst niemand drum kümmern. Und das ist doch der Punkt: Es muss ja weitergehen. Und man will ja wirklich was tun für die Leute. Und für die Stadt. Also da soll mal bloß keiner meckern. Und so einen Preisträger könnte man ja dann an eine Agentur vermitteln. An eine, die es sich wirklich etwas kosten lässt: So einen aufzubauen.