Der Vorstand tagt

Die Personen: der Vorsitzende Kurt Rabe (Oberstaatsanwalt), der Schatzmeister Jens Kahlmann (Pensionär), der Orchestersprecher Helmut Fade, die Gastgeberin Elke Brothaus (Gattin eines wichtigen Menschen), die Konzertmeisterin Tuse Oberbaum (Gattin eines sehr wichtigen Menschen), die Pressesprecherin Wanda Fischbein (Gerontologin), ein Unschuldiger Geiger, der Dirigent Heinz Wintertour (ohne Titel – aber mit Taktstock).

1. Szene: Ankunft der Gesellschaft auf dem Landsitz der Brothausens. Wir befinden uns gerade in der Sommerpause. Das letzte Konzert fand vor 2 Wochen statt.

Aussprache:

Wer trinkt was? Die Brothausen zum Gatten: Das wäre doch eine nette Aufgabe für dich. Ein neu erstandenes Kunstwerk an der Brothausenschen Wohnzimmerwand wird allgemein und in öffentlicher Abstimmung für gut befunden. Finanziell war das letzte Konzert eine Nullnummer: Soll erfüllt. Die Plakate werden allgemein für gut befunden. So kann es weitergehen! Dieses satte Blau hat, so kann man wohl sagen, Signalcharakter. Die Presse hat allerdings leider nur ungenügend mitgezogen: Das Foto des Solisten ist an zwei Stellen nicht erschienen. Und auf eine Kritik wartet man heute noch. Die eingekauften Bläser waren schlecht! Das zerrt am guten Ruf. Hatte der Dirigent die besorgt? Einer der Kritiker hat einen zweifelnden Ton angeschlagen. Dem mal gelegentlich die Meinung sagen. Schließlich ist man ein Amateurorchester. Der Solist war ja wohl wirklich toll. Und so engagiert. Drei Proben und nichts extra. Und endlich hat man das Stück verstanden. Immerhin: Den hatte Frau Oberbaum besorgt. Nein, ganz ohne Dazutun des Gatten. (Der kennt sich mit sowas doch gar nicht aus.) Es gab Beschwerden über die Sitzanordnung: Das muss verbessert werden. Mancher kam auch mit den Kunstwerken im Museumssaal nicht so recht klar. Das sowas da stehen muss, wenn man ein Konzert spielt. Aber alles in allem war das Ambiente natürlich besser als sonst in der ausgewiesen ungemütlichen Stadthalle. Der Wein ist wirklich gut! Bekömmlich ist der und süffig. (Es wird gegurgelt.) Ja, wirklich, sehr bekömmlich! Der Gatte soll ruhig noch mal die eine oder andere Flasche mitbringen ... Ach ja - und die Freikarten. Da waren natürlich zu viele unterwegs. Wer sich alles einbildet, einen Anspruch auf freien Zugang zu haben - das glaubt man gar nicht. Und was sagt denn überhaupt der Dirigent zu der ganzen Sache? Naja, nicht so wichtig. Besser, man redet mal über das nächste Programm. Ach wirklich? Ein reines Streicherprogramm? Das ist ja interessant! Aber irgendwie ohne Glanz. Blech muss es schon sein in der Weihnachtszeit. Das bringt den nötigen Glanz. Blech glänzt. Aber wirklich, dass der wiehießerdochgleich sich eine Freikarte erbettelt hat, nur, weil er mal einen Notenständer getragen hat ... das sollte man sich überlegen. Der ist schließlich Oberstudienrat. Direktor: Ober-stu-di-en-di-rek-tor. Da sieht man's mal wieder. Vielleicht doch ein Käseschnittchen? Der Dirigent sagt ja nun wirklich gar nichts. Ach richtig: Die Programmauswahl für das nächste Konzert: eine Sopranistin, das Streichorchester und ein Chor? Frau Oberbaum hält die Programmauswahl gelinde gesagt für unglücklich. Nicht, dass sie sich da einmischen will! Aber unglücklich ist es eben doch. Was meinst du, Elke? Frau Fischbein möchte jetzt endlich darauf bestehen, dass ein Pressefoto gemacht wird. Das muss sein! Immer wieder ein Bild des Dirigenten oder des Solisten: Da sieht man sich satt. Das Programmheft hat der Dirigent gut gestaltet. Man hätte an die Handzettel für die Bekannten denken sollen. Da kann man den Kollegen was ins Fach legen. Das Wetter war zu gut fürs Konzert. Da wären sonst mehr gekommen. Es darf natürlich auch nicht zu schlecht sein. Dann kommen weniger. Und dass die Hörner achtzehneinhalb Minuten zu spät zur Generalprobe kommen, geht natürlich nicht! Gagenabzug beim nächsten Mal. Nein, der Geiger soll mal nichts sagen. Der ist nur als Gast da: Stimmführer sind nicht im Vorstand, aber es soll nachher nicht heißen, man mauschele. Der Orchestersprecher ist stimmberechtigt, möchte aber nichts sagen, außer vielleicht: Junge Leute müssen ins Orchester. Man stirbt aus! Es war schon schwer genug, den alten Dirigenten loszuwerden. Nun gut: Der hatte das Orchester gegründet. Aber: was nicht mehr geht, das geht eben nicht mehr. Herr Kahlmann will die Beiträge erhöht wissen. Auch für die Passiven. Man muss in der Lage sein, von den Beiträgen den Dirigenten zu bezahlen. Schlimm genug die Tatsache, dass der neue Dirigent ein Honorar verlangt. Der alte hat's ja umsonst gemacht. Gut: Dafür war's auch schlecht, aber immerhin.

Das Konzert soll ja wiederholt werden. Das ist eine schöne Sache. Der Solist kann aber leider nicht: Die Frau entbindet. Nichts zu machen! Da muss ja jetzt was Neues ins Programm. Der Vorschlag des Dirigenten erscheint ein klein wenig verunglückt. Man muss wissen: Vor der Pause immer das Solisten-Konzert; nach der Pause die Symphonie. Daran sollte nicht gerüttelt werden. Sowas hat schon seinen Sinn. Und jetzt das Stück aus dem letzten Jahr aufzuwärmen: sehr unglücklich! Bei der Generalprobe hat der Dirigent eine Spur zu viel geredet. Durchspielen lassen und dafür zwischendurch an die Raucher denken. Apropos: Wer trinkt, soll wenigstens rauchen: Gefäßerweiterung, Gefäßverengung. Und wie gesagt: Nicht so viel reden. Frau Oberbaum hat da ihre Erfahrungen. Proben und dann das Konzert. Sonst kann da nur allzu leicht etwas verrutschen. Aha! Der Vorsitzende muss auch zur nächsten Vollversammlung schriftlich einladen. Es hat beim letzten Mal nicht gereicht, einfach mündlich einzuladen. Er als Jurist hätte das wissen müssen. Herr Rabe stellt sein Amt zur Verfügung. So-fort! 

Umgotteswillenneinsowardasdochgarnichtgemeint. Daswardochnureingutgemeinterrat! Der Vorschlag des Dirigenten, zum Weihnachtskonzert dieselbe Sopranistin zu verpflichten, die dann auch im nächsten Sommer (hatten wir schon einen Termin?) singen soll: Unglücklich. Da könnte mancher meinen, man sei einfallslos. Frau Oberbaum kennt da eine vorzügliche Sängerin aus Ida-Oberstein [sic!]. Die hat schon mit gottweißwem gearbeitet. Bläser glänzen. Und auch gute Sänger. Am Ambiente muss weiter gearbeitet werden. Der Programmausschuss sollte wieder ins Leben gerufen werden. Nichts hat einen faderen Nachgeschmack als ein unglücklich gewähltes Programm. Die Pressetexte des Dirigenten waren schon anschaulich, aber es ist doch Aufgabe von Frau Fischbein, das Geschriebene an den Mann zu bringen. Der Dirigent schreibt, bitte. Und sie veröffentlicht: die Aufgaben müssen klar verteilt sein. Man wirkt sonst so unbeholfen nach außen hin.

Eine Sache vielleicht noch: Der Neuzugang in der 2. Geige: Mindere Qualität. Und auch menschlich passt es nicht so ganz. Die Anfrage eines 73-jährigen Ex Professors soll der Dirigenten bitte ohne ein Probespiel positiv beantworten. Man kennt sich. Nichts riskieren. Dafür bitte dieser Dame eindringlich klarmachen, dass es so nicht geht. Das ist schließlich Sache des Dirigenten: Der hat sie auch geholt. Zugegeben: ein bisschen unglücklich, denn er kannte ja die Umstände nicht.

Herr Dr. Frauentrost fragt an wegen des Treffens der Rotarier. 1000 Mark für die Orchesterkasse. Ein Dirigent ist nicht nötig. Die räumlichen Gegebenheiten lassen das nicht zu. Also das Bild ist wirklich einmalig. Und man hat es einem abgeschwätzt, der nun wirklich nichts davon versteht. Der war ja froh über die paar Kröten. Vielleicht schickt man dem mal eine Freikarte fürs nächste Konzert. Andererseits hat der ohnehin keine Ahnung. Kann man sich schenken. Wie war das jetzt mit dem Programm fürs nächste Mal?